Wie führst du als Theologe?
Dr. Jens Dechow ist evangelischer Theologe, Pfarrer, derzeit Geschäftsführer eines evangelisches Jugend- und Bildungswerks in Münster und leitet ein Team von ca. 10 Mitarbeitenden. Wie er als Theologe heute das Unternehmen leitet und, wie er sich dafür Inspiration in der Bibel findet, erzählt er uns in diesem Podcast.
Im Jugend- und Bildungswerk treffen verschiedenste Einrichtungen von Bildung zusammen, z.B. neben der Jugendbildung auch die Migrationsberatung.
Nachdem Jens eine klassische Hochschulausbildung genoss, die er promoviert beendete, ist er in den politischen Bildungsbereich gewechselt und ist anschließend als Gemeindepfarrer tätig gewesen. Als Schulpfarrer hat er an zwei Münsteraner Gymnasien sowohl Religionsunterricht erteilt als auch schulische Entwicklungsaufgaben mit bearbeitet. Der nächste Schritt in seiner Laufbahn wird die Direktion des Comenius-Instituts sein, wo er sein Wissen zu Bildungsfragen und Gestaltung einbringen wird.
„Unsere Art des Glaubens ist immer von unserer Persönlichkeit und der Beziehung, die wir dazu haben, abhängig.“
Eine klassische Arbeitswoche oder Alltag gibt es bei Jens nicht – jeder Tag ist anders. Dabei ist es meistens so, dass sein Tag damit startet, seine Mails des letzten Tages zu lesen und dann ins Büro zu fahren. Er beschäftigt sich mit Haushaltsplänen, Personalplanung, Vorbereitung von Fortbildungen, begleitet LehrerInnen in Fortbildungen und beendet einen Tag beispielsweise mit einer Vorstandssitzung. Er erzählt, dass er zwar spät Feierabend mache, aber in seiner Zeit als Gemeindepfarrer nie Feierabend gehabt hat – da wurde er dann schon auch mal beim Brötchen holen zur Taufe des Kindes befragt.
Ursprünglich wollte Jens etwas völlig anderes studieren und, obwohl er schon eingeschrieben war, hat er zurückgezogen. Grund war unter anderem ein Freund, der selber Theologie studierte und der ihn mit Fragen konfrontierte, die Jens für sich schon immer beantworten wollte: „Ist diese Welt in der wir unterwegs sind, wirklich alles?“ „Gibt es nur die Dinge, die man anfassen kann?“ „Wofür bin ich überhaupt auf dieser Welt? Gibt es dafür einen Plan?“
Jens hat auf diese Fragen noch keine Antworten gefunden, er ist heute der Überzeugung, dass die Beantwortung der Fragen ein Prozess ist.
„Jede Lösung, die wir einmal gefunden haben, ist die Lösung für diesen Moment.“
Wir haben natürlich auch Jens gefragt, was ihn motiviert, täglich seiner Arbeit nachzugehen. Er beschreibt, dass er sehr stark aus sich heraus schon motiviert ist, er darüber hinaus aber noch sehr durch sein Team und seine vielfältigen Projekte motiviert wird. Zu seinem Team gehören das Jugendreferat, welches sich mit Bildungsprozessen von Jugendlichen beschäftigt, das Schulreferat und die Erwachsenenbildung, inklusive Flüchtlingsberatung/-bildung. Insgesamt sind es 10 Mitarbeitende, plus Lehrkräfte und „angedockte“ Mitarbeitende, wie TeamerInnen, die beispielsweise den Konfirmantenunterricht durchführen. Wie Leitung mit so vielen unterschiedlichen Instanzen funktionieren kann, erklärt Jens so, dass Leitung innerhalb des Teams auf vielen Schultern verteilt liegt, da die Themenbereiche so vielfältig sind. Außerdem basiert seine Führung auf einer gemeinsam festgelegten Konzeption.
„Wir leben sehr zentral davon, dass Leitung bei uns über Konzeption geschieht.“
Es gibt eine klare konzeptionelle Ausarbeitung zur Arbeit im Jugend- und Bildungswerk, in der festgeschrieben steht, wo die Arbeit hingehen soll. Zusätzlich wird ein System transparenter Kommunikation gelebt, die alle auf einen Stand bringt, sollten Entscheidungen getroffen werden. Damit ist nicht gemeint, dass alle mit den Entscheidungen immer einverstanden sind, sondern vielmehr sei es Sinn und Zweck, dass alle die Argumente und Gründe für die Entscheidung verstehen können. Jens geht es darum, dass alle den Sinn hinter Entscheidungen und der Arbeit kennen. Er sagt, dass dadurch zwar viele vor allem zeitliche Ressourcen gebunden werden, die auch gut anders genutzt werden könnten. Jedoch bemerkt Jens, dass er darin den Gewinn für das gute Miteinander im Team und die erfolgreiche Zusammenarbeit sieht.
Das war nicht immer so, aber der Gewinn der verschwommenen Grenzen wurde schnell sichtbar: Wenn Ressourcen knapp sind, ist ein geschlossenes System hinderlich, mit einhergehendem Misstrauen. Man gönnt sich nichts und erwartet durch den Erfolg des einen, einen Nachteil der eigenen Abteilung.
Um klare Strukturen und Transparenz zu schaffen und das Gefühl gemeinsamer Verantwortung zu wecken, hat sich das Unternehmen vor Jahren hingesetzt und mithilfe der klaren finanziellen Regelung für die nächsten Jahre, die Personalplanung gemeinsam erarbeitet. Hinzukam damals, dass Jens damit gestartet hat, im Schulreferat plötzlich Ressourcen freizumachen und anderen zur Verfügung gestellt hat.
„Das hat Jesus übrigens auch gemacht: Also erstmal die Leute so in Kleingruppen zusammengesetzt, damit man eine gemeinsame Verantwortung spürte.“
Das zentrale Wunder liegt darin, dass jemand geteilt hat, obwohl er dachte, dass es nicht für alle reicht. Das galt für Jesus ebenso wie für die Arbeit im Jugend- und Bildungswerk. Jens erlebte auf diese Weise eine Dynamik der gemeinsamen Verantwortungsübernahme in seinem Team. Hilfreich war auch hier wieder etwas, was wir schon von anderen Führungskräften mitgenommen haben: das gemeinsame Ziel, an dem alle zusammen arbeiten.
In seine Rolle als Führungskraft ist Jens schrittweise hineingewachsen. In seinem Studium wurde er auf Management-Aufgaben nicht vorbereitet. Dafür sagt er aber, dass so viele Grundlagen des Managements und der Idee von Führung in der Bibel (vor-) gelebt werden: Es seien so viele Projekte und Projektmanagement-Abläufe vorhanden, von denen er gelernt hat. So ist Jesus auch ein Führungsvorbild: Die Haltung Menschen/ Mitarbeitenden gegenüber. Jens erzählt, es sei auffällig, dass Jesus immer darauf abgezielt hat, Menschen von innen zu verwandeln.
„Wenn es mir gelingt, Menschen selbst davon zu überzeugen, dass ein bestimmter Weg verkehrt ist und sie/ er eher einen anderen Weg gehen sollte, dann hat es eine langfristige Wirkung“
Für Jens heißt das, wenn er seine Mitarbeitende vom Ziel überzeugen und ihre Begeisterung wecken kann, dann können Wege dahin kreativ erarbeitet werden. Das sind häufig nicht die Wege, die Jens sich überlegt hat, sondern die Wege, die seine Mitarbeitenden erarbeiten. Die Haltung, die dahintersteckt, setzt sich unter anderem zusammen aus: Respekt, die andere Person als vollständige Person wahrzunehmen und den Respekt der Unterschiedlichkeit jedes einzelnen Mitarbeitenden. Vertrauen, im Sinne von „wieviel vertraue ich mir? Und wieviel meinen Mitarbeitenden?“ Wahrhaftigkeit und Dankbarkeit, sind wesentliche Grundlagen seines Führungsverständnisses. Sein Selbstverständnis beinhaltet auch, dass Mitarbeitende und Führungskraft nur das einbringen können, was zu ihnen passt. So wird sich mit Jens’ Abdanken das gesamte Team verändern, weil sich das System Team immer mit den Menschen verändert, die darin mitwirken.
„Die Konzepte dürfen sich niemals unabhängig von den Menschen entwickeln, die damit zu tun haben.“
Im Umkehrschluss muss geschaut werden, welche Menschen arbeiten hier und welches Konzept können diese Menschen umsetzen? Was passt zu den Menschen? Und so verändert sich auch die Führungskraft immer mit dem Team, mit dem sie zusammenarbeitet. Das was bleibt, ist seiner Ansicht nach, dass Leitung und Konzeption zusammengehören und ein System transparenter Kommunikation.
Jens reflektiert mit uns auch sein Führungshandeln und seine eigenen Schwächen: Jens beschreibt hierbei, dass er den Ressourcen seines Unternehmens zu viel zutraut. Er liebt was er tut und ist zu begeisterungsfähig – das führt in seiner Begeisterung auch schon mal zur Überforderung seines Teams, so Jens. Sollte das passieren, badet er die Konsequenzen mit aus. So geschah es, dass er als Führungskraft auch schon vor einem Theaterstück nachts aufstand, um Kulissen für ein Theaterstück zu streichen, da das Team mit der Arbeit nicht hinterherkam.
Eine weitere Reflektion, die er mit uns teilt, ist diese, wie er von besonders kritischen Mitabreitenden lernt: Er erzählt uns, dass er besonders an diesen Mitarbeitenden die Erkenntnis gewinnt, was er mit seiner Art der Führung vielleicht übersehen hat und wo es ggf. einen gemeinsamen Richtungswechsel braucht.
Diese und viele andere Reflexionen hat Jens mit uns geteilt. Wir haben mal wieder sehr viel für uns mitgenommen. An dieser Stelle laden wir euch ein, selbst reinzuhören in das Gespräch mit Jens, denn all diese wunderbaren Erkenntnisse können in der Kürze hier gar nicht so gut zusammengefasst werden, wie Jens das mit uns im Gespräch tut.
Wir danken Jens für diese tiefen Einblicke und spannenden Impulse.
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